Kunst & Kultur
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Drei Städte, vier Museen: Unterwegs an der Algarve

Ankerfriedhof

Die Algarve hält viele reizvolle Refugien für ihre Gäste parat. Die zahlreichen individuell thematisierten Museumshäuser gehören auf jeden Fall dazu.

Herbst und Winter stehen vor der Tür – die Algarve lockt mit herbstlich mildem Klima zu Erholungsurlaub mit ausgedehnten Strandspaziergängen an die Küste, lädt Urlauber ein zu Streifzügen durch Städte und Dörfer – und zu Museumsbesuchen. Heimatwissen mit archäologischen Funden bündeln die hiesigen Museen und halten außerdem jede Menge Überraschungen parat. Die Legenden zu den Exponaten sind zweisprachig portugiesisch und englisch aufbereitet, Broschüren oftmals auch auf Deutsch erhältlich.

Museu de PortimãoSardinenfabrik & Stadtmuseum

Manchmal heulten die Sirenen im Morgengrauen, manchmal erst am Nachmittag. Das Heulen konnte man hören bis an den Stadtrand von Portimão, sogar bis in die umliegenden Dörfer. Die Sirenen riefen die Fabrikarbeiterinnen zum Dienstantritt in die Konservenfabrik, und zwar immer dann, sobald die Sardinenfangflotte in den Arade-Fluss und Hafen zurückkehrte, bereit den Fang zu löschen. Der Fischfang und das Ausladen der Sardinenbeute war Männerarbeit. Waschen, säubern, ausnehmen, enthäuten, entgräten, sortieren und in Dosen betten, der blauschimmernden Schwarmfischlein, Frauenarbeit.

Die fangfrischen Sardinen gelangten vom Kutter direkt in die Fisch-Waschanlage, wo jede Sardine von Hand gewaschen und entschuppt, gesäubert und geköpft wurde. Und in Salzlake ein Bad nahm, damit die Haut und das rohe Fischfilet fest blieben. Erst danach gelangten die gesäuberten Sardinen auf dem Fließband in den Produktionsbereich, wo der Fisch ebenso in Handarbeit von einer zweiten Arbeiterinnen-Truppe in Dosen gebettet wurde. Mit Olivenöl oder Delikatesssauce bedeckt, wurde die Sardine in der verschlossenen Dose vaporisiert konserviert. Mit dem Emblem der Fabrik in den Deckel graviert, ging die Delikatess-Fischkonserve aus Portimão in den Handel in die USA, nach England und Mitteleuropa.

Im Industriemuseum Múseu de Portimão haben die Stadtväter den Esprit der einst höchst lukrativen Konservenindustrie eingefangen und die gesamte Produktion Schritt für Schritt in der ehemaligen Fabrik “La Rose Feu Hermanos” auferstehen lassen. Das Museum ist unterteilt in zwei Bereiche: Fabrikmuseum und Heimatabteilung. „Territorium und Identität“ heißt die Ausstellung und zeigt die chronologische Entwicklung der einst steinzeitlichen Siedlung Alcalar bis zur wirtschaftlich aufblühenden Stadt im Industriezeitalter.

Museu de Portimão, Rua D. Carlos I, 8500 – 607 Portimão, Portugal

Öffnungszeiten: Mittwoch-Sonntag von 10-18 Uhr

Export für Deutschland
Konservendose für den deutschen Markt

Tavira – Santa Luzia

An der Sandalgarve im Osten sorgte viele Jahrhunderte lang der Thunfischfang für Arbeit und Existenz der Fischer. Zwischen dem Mündungsdelta des Guadiana bis zum Fischerort Fuzeta im Naturpark Ria Formosa ganz besonders. In diesem Küstenabschnitt lebten die Fischer von Mai bis Oktober in eigens errichteten Fischerhütten. Früher aus Holz mit Schilfdach, später in Siedlungshäusern, um den Thunfisch auf seiner Reise zu den Laichplätzen im Mittelmeer, vor der Küste Taviras buchstäblich in die Falle zu locken.

Der große Fisch mit dem teuer bezahlten roten Fleisch wurde nicht vom Fischkutter aus gefangen, sondern in einen Tunnel aus eigens aufgestellten Netzen gelockt. Diese sogenannte Armação de Atum, zu Deutsch Thunfischfalle, war am Meeresboden mit Dutzenden, mehrere hundert Kilogramm schweren Ankern beschwert festgezurrt und lief Zickzack in ein letztes, größeres von Netzen begrenztes Becken.

Thunfischhalle Portimao
Thunfischfalle

Dort wurde der Thunfisch gefüttert, damit er ruhig blieb, bis die Fischergemeinschaft ihm den Gar ausmachte. Bis 1976 noch haben Algarve-Fischer in den Siedlungen an der Küste gelebt. Auf der Insel Barrill bei Santa Luzia im Westen, und am Ostufer im Flecken Abóbora, von Tavira, sowie an anderen Orten. In zwei ehemaligen Fischersiedlungen wird das Andenken an die Thunfischfallen aufrecht gehalten und jeweils eine Erinnerungsstätte errichtet. Neben einer Maßstabsgetreu nachgebildeten Armação de Atum dokumentieren eine Reihe Fotos die gefährliche und anstrengende Arbeit der Thunfischfischer.

Das absolute Highlight ist der sogenannte „Ankerfriedhof“ auf der Strandinsel Barril: Mit den über dreihundert Ankern, die nach der Stilllegung der Thunfischfalle 1976 vom Meeresgrund gehoben und als Andenken seither dort stehengeblieben sind. Mit der Bummelbahn gelangt man vom Festland zur Insel und erlebt zusätzlich die einzigartige Lagunenlandschaft und den paradiesischen Strand.

Ankerfriedhof Tavira
Das bekannte Ankerfriedhof

Múseu de Atum – Restaurant und Museumshaus: Täglich außer montags ab 10 Uhr geöffnet. Zur Insel gelangt man von Santa Luzia/Pedras D`El Rei zu Fuß oder mit der Bummelbahn zur Insel und Siedlung.

Museu de Atum – Hotel Resort Vila Galé Albacora

Die Straße mit integriertem Rad-/Fußweg dorthin zweigt am Kreisverkehr vor dem Einkaufszentrum Tavira/Plaza ab, durchquert Meersalzsalinen und passiert die Ruine des einstigen Forte do Rato, erbaut zum militärischen Schutz der Thunfischfalle gegen Fischfang-Piraten. Der Besuch im Museum steht auch Nicht-Hotelgästen offen, der Eintritt erfolgt durch die Rezeption. (Unbedingt vorher anrufen (00351- 281 380 800), im Winter schließt das Hotel für einige Monate).

Lagos – Das Wachsfiguren-Kabinett

Lagos, der einstige Hafen der portugiesischen Seefahrer zu Beginn der Entdecker-Epoche unter Prinz Heinrich, der Seefahrer, bleibt bis heute von maritimer Sehnsucht umweht, die vor 600 Jahren mit einer Vision begann. Den Seeweg nach Indien suchen, die Weltmeere erobern und neu vermessen, fremde Kulturen entdecken und den katholischen Glauben in ferne Länder tragen. Dies wollte Prinz Heinrich und hat mit seiner Vision die glorreiche Entdecker-Epoche Portugals eingeläutet.

Prinz Heinrich der Seefahrer
Prinz Heinrich der Seefahrer

Sein Traum hörte solange nicht auf, bis tollkühne Navigatoren, Kapitäne und Glücksritter auch noch nach seinem Tod weiter auf den Wellen der Ozeane fremden Küsten entgegen segelten. Und das Königreich auf vier Kontinenten Anker geworfen hat und Versorgungshäfen, Gouverneursposten und Kolonialverwaltung aufbauten. Im Yachthafen Marina de Lagos begegnet man den stolzen portugiesischen Seefahrern und ihren Geschichten, Auge um Auge, zu einem Theaterstück arrangiert, in mehreren Akten im Wachsfigurenkabinett Museu de Cera dos Descobrimentos, und erfährt szenenreich und Kulissenstark aufbereitet, wie, wann, und bis wohin die stolzen Portugiesen dem Wind gefolgt sind.

Öffnungszeiten: 10-17 Uhr – montags und feiertags geschlossen

Höchst-Besucherzahl: 10

König Joao II und das portugiesische Padrao
König João II und das portugiesische Padrao
Weltkarte mit LED Lichtern und die portugiesischen Entdeckerrouten dargestellt
Die portugiesischen Entdeckerrouten

Informationen zu den Museumshäusern

Museen in Portugal sind seit Juni unter strikter Einhaltung der aktuellen Hygienepräventionen wieder geöffnet. Die Mundschutzpflicht besteht durchgehend. Die Gruppengröße ist in öffentlichen Einrichtungen derzeit unterschiedlich beschränkt, die Anzahl Besucher gleichzeitig im Gebäude ebenso, der physische Mindestabstand beträgt generell zwei Meter. Desinfektionsgel in Spendern ist überall ausreichend vorhanden. Das Gütesiegel Clean & Safe bürgt zusätzlich für regelmäßige Desinfektion der Einrichtung.

Kategorie: Kunst & Kultur

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Die Schriftstellerin Catrin Ponciano lebt in Portugal und arbeitet hauptberuflich als Journalistin, Essayistin und Autorin. Die ehemalige Küchenchefin wagte 2006 einen Neuanfang, legte das Messer aus der Hand und nennt seither einen Stift ihr Werkzeug. Ihre Themen umspannen Portugals Kultur und Lebensart. Poncianos Kriminalromandebüt „Leiser Tod in Lissabon“ wurde 2021 mit dem Debütpreis der Stuttgarter Kriminächte ausgezeichnet. Die Reiselektüre „111 Orte in Porto die man gesehen haben muss“ ist ihr dritter 111-Orte-Band – nach „111 Algarve“ und „111 Alentejo“. Die Autorin ist Mitglied im Syndikat für deutschsprachige Kriminalliteratur, im PEN-Berlin, sowie bei der 42er-Autoren. Hier geht's zu ihrer Autoren-Webseite.

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