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Palácio de Estói an der Algarve – Römer und Rokoko

Ansicht Palácio de Estói

Buchstäblich ins Grüne schmiegt sich der rosarote Palast Palácio de Estói an die Terrassenhänge nördlich von Faro und ist weithin bis zur Autobahn sichtbar.
Ein aristokratisches Schlösschen im Süden Portugals, ein Schwesterngebäude des rosaroten „Queluz“ Palastes in Lissabon, entworfen vom gleichen einstigen Hofarchitekten als Sommerresidenz für den Oberkommandanten der Algarve Garnison und Marine im ausgehenden 18. Jahrhundert.

Der Park am Fuße des rosaroten Märchenschlösschens mit seinen prächtigen Flügeltüren, den Schornsteinen und Türmchen, fließt satt und grün, mit Orangenhainen, Granatapfelbüschen und Nussbäumen bepflanzten, gebührend breit angelegter Allee in der Mitte, als Auffahrt seicht aufwärts, und endet auf einem Platz unter schattigen Walnussbäumen an einem imposanten Brunnen.

Palácio de Estói im Grünen

Eine Grotte begrüßt den Gast, der einst in prächtigen Kutschen die Allee heraufkutschiert wurde, am Fuße der Freitreppe ausstieg, und zu einer eisgekühlten Limonade oder einem fruchtig süßen Sorbet als Willkommensgruß in die Brunnengrotte gebeten wurde.
Die mit römischen Mosaiken, portugiesischen Fliesenbildern, original Klippenfelsen von der Costa Vicentina, Muscheln aus aller Welt, und italienischen Akten aus glänzend weißem Marmor gestalteten Musenfiguren, dekorierte Höhle mit plätscherndem Brunnen, ist ein Kunstwerk der Rokoko-Epoche. Das im Süden Portugal einzige in seiner Art, und gewährt Eintritt in die alle Sinne inspirierende Komposition durch neo-maurische Hufeisenbögen hinein in wohltuende Frische.

Brunnen Palácio de Estói

Über drei Etagen, verbunden mit einer Galerie Fliesenbilder, vorbei an Marmorstatuen aus der Sagenwelt und der liegenden Venus, führt ein schmiedeeisernes Portal in den nach französischem Vorbild angelegten Schlossgarten mit klassisch gestutzten Buchsbaumhecken und Marmorbüsten. Die akkurat geharkten Sandwege laufen sternförmig zusammen und treffen sich in der Mitte. an einem Brunnen Dutzende Büsten berühmter Dichter, Denker, Imperialisten und portugiesischer Persönlichkeiten beobachten mit steinernem Auge das Geschehen, von einem Mauervorsatz aus, der den Garten umschließt.

Flankiert ist der Garten von zwei Pavillons, ausgekleidet mit erotisch musischen Fliesenbildern à la Rokoko, versteckt hinter Buntglas-Butzenfenster, eingefasst in Bleiglas, flaniert man durch diese stille Oase königlicher Baukunst. Es fällt nicht besonders schwer, sich höfische Damen mit Reifrockkleidern bekleidet und kunstvoll gekämmten Perücken auf dem Kopf vorzustellen, die unter einem Sonnenschirm eng aneinandergerückt hier tuschelnd Geheimnisse und Hoftratsch austauschten.
Sich vorzustellen, wer sich in den beiden Lustpavillons heimlich traf und noch heimlicher geküsst hat, bleibt unserer Fantasie vorbehalten, die bereits etliche Dichter zu sinnlichen Oden, und Künstler zu amourösen Aquarellen Zeichnungen beflügelt hat.

Der Blick schweift über das weitläufige Anwesen gen Süden, das Meer funkelt wie ein Teppich aus Diamanten vor den Toren der Stadt Faro, die Gebäudesilhouette von Faro flimmert im klirrendklaren Licht des Sommerlichen Nachmittages und man versteht, warum der Hofarchitekt einst genau an dieser Stelle in Estói stand, und sagte, „Was für ein Licht“, und genau hier den Palast errichten ließ.

Palácio de Estói Detail

Durch das Terrassencafé gelangt man in den Flur im Palast. Rechts liegt die Küche. Sie zeigt – wie in einem kleinen Museum – die einstige Palastküche und dazugehörige Nebenräume, in denen heute das hoteleigene Restaurant untergebracht ist. Im früheren Herrensalon und Raucherzimmer stehen gemütliche Sofas und Sessel. Der mittlere Salon war das Musikzimmer und der Hauptsalon der burggräflichen Familie, die zuletzt dieses Chalet in Estói bewohnt hat. Die Decke ist mit Szenen aus der klassischen Musikwelt bemalt, der Raum ist dekoriert mit deckenhohen, in schwere Rahmen eingefasste Spiegel. Die Spiegel sind extra so platziert, dass der gesamte Saal doppelt so groß wirkt, wie er ist. Durch die Flügelfenster tritt man auf kleine Balkonbalustraden und genießt den Weitblick hinab nach Faro und auf das Meer nun aus einer erhöhten Perspektive.

Palácio de Estói Salon

Der Ort Estói liegt, wie der Palast, am Hang. Die Häuser im Ortskern schmiegen sich wie Terrassen aneinander bergauf. Die Treppen und Gassen laden ein zu einem romantischen Spaziergang vorbei an Kaufmannshäusern und Bauernhäuser, die sich zusammen um zwei Kirchen herum schmiegen und Estói einen sehr eigenen Charme verleihen.
Der Bergort blickt zurück auf eine über 2000 Jahre alte Lokalgeschichte als Marktplatz an der heutigen Hauptverbindungsstraße N 2, und einstigen Via Romana, die früher wie heute Faro im Süden an der Algarve mit Chaves im Norden von Portugal auf einer Strecke von über 600 Kilometer miteinander verbindet.

Wer in der Algarve nach Estói fahren möchte, gelangt am besten dorthin von der Autobahn A22. Man nimmt die Ausfahrt Estói östlich von Faro, und kommt direkt an der Vergangenheit vorbei. Noch vor dem Ortseingang an der Einfallstraße N 2-6 liegt die römische Ausgrabungsstätte Ruínas Romanas de Milreu. Die einstige römische Villa war umstellt von einer Reihe Wirtschaftsgebäude, die rege Landwirtschaft und Winzerkultur nachweisen, sowie mit eigenem römischen Bad und Atrium ausgestattet. Die Villa mit ihrem mystisch anmutenden Tempel, rund und ohne Fenster erbaut, und der Taufkapelle davor, mit den noch teilweise vollständig erhaltenen Mosaikbildern, zählt zu den größten archäologischen Funden im Süden des Landes aus der Römerzeit.

Ruinen Milreu Algarve

Bewohnt war die Palastähnlich angelegte Villa mehrere Jahrhunderte lang von römischen Kaufleuten, die ihr Vermögen mit dem Thunfischfang entlang der Küste, mit der Herstellung der antiken Delikatesspastete Garúm aus Thunfischleber in Olhão, mit Salzhandel im Lagunenbecken von Faro, sowie mit dem Keltern von Wein scheffelten. Dem Wein aus Milreu wurden Heilkräfte angedichtet, erzählt eine Legende, denn man mischte ihm Lavendelextrakt bei. Glauben versetzt Berge. In diesem Sinne, Wohlsein!

Übernachten im Palácio de Estói

Heute gehört der märchenhafte Palast zu den portugiesischen Pousadas de Portugal der Pestana-Hotelkette und ist darüber hinaus Mitglied der Vereinigung der „Small Luxury Hotels of the World”. Eine Übernachtung ist bei OLIMAR bereits ab 67 € pro Person im Doppelzimmer inklusive Frühstück buchbar. Eine wunderbare Gelegenheit, um den Palast auch in aller Ruhe von innen betrachten zu können, die luxuriösen Annehmlichkeiten zu genießen und sich während des Algarve Urlaubes in die Zeit des Rokoko zurückversetzen zu lassen.

Palácio de Estoi Pool
Kategorie: Hoteltipps, Kunst & Kultur

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Die Schriftstellerin Catrin Ponciano lebt in Portugal und arbeitet hauptberuflich als Journalistin, Essayistin und Autorin. Die ehemalige Küchenchefin wagte 2006 einen Neuanfang, legte das Messer aus der Hand und nennt seither einen Stift ihr Werkzeug. Ihre Themen umspannen Portugals Kultur und Lebensart. Poncianos Kriminalromandebüt „Leiser Tod in Lissabon“ wurde 2021 mit dem Debütpreis der Stuttgarter Kriminächte ausgezeichnet. Die Reiselektüre „111 Orte in Porto die man gesehen haben muss“ ist ihr dritter 111-Orte-Band – nach „111 Algarve“ und „111 Alentejo“. Die Autorin ist Mitglied im Syndikat für deutschsprachige Kriminalliteratur, im PEN-Berlin, sowie bei der 42er-Autoren. Hier geht's zu ihrer Autoren-Webseite.

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