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Stille Dörfer am großen See – Ausflug an den Alqueva-Stausee im Alentejo

Blick auf die Stadt Moura

Der Rio Guadiana Fluss ist die Lebensader des Alentejo und speist den größten Stausee in Europa. Die stillen Dörfer rund um die Talsperre am „großen See“, versprühen eine ureigene Mystik und laden abseits aller Touristenrouten, zum Erkunden ein. Ein Ausflug an den Alqueva-Stausee lohnt sich alle Male. 

Die Straße endet im Wasser. Eine merkwürdige Stimmung begleitet den Blick über die Wasseroberfläche, und er verharrt dort, wo einst die Straße endete. Im Bauerndorf Luz.

„Selbst 15 Jahre später ist es ungewohnt in einem Haus zu leben, das meinem Haus gleicht, aber doch nicht meines ist“,

sagt Senhor Joaquim, einer der ältesten Anwohner im neuen Dorf Luz an der Talsperre Barragem de Alqueva. Und er weiß wovon er spricht. Denn er ist im „alten“ Luz geboren und hat die Hälfte seines Lebens dort verbracht.

Mammutprojekt Alqueva-Stausee

Der im Volksmund „große See“ genannte Stausee, gilt für die Menschen der Gegend als ein Mythos. Niemand hat damals daran geglaubt, dass dieses Mammutprojekt für Wasser- und Stromversorgung Realität wird. Schließlich begleitet der Bau, des größten Stausees in Europa die Geschichte des Alentejo seit 50 Jahren. Heute misst der Alqueva-Stausee an manchen Stellen knapp hundert Meter Tiefe. Und er ist über 250 Quadratkilometer groß und verfügt über eine Uferlänge von rund 1.000 Kilometern.

Das alte Luz

Eine ehemalige römische Festungsanlage steht seither unter Wasser und eine steinzeitliche Menir-Sammlung wurde umgebettet. Zudem ist das gesamte Dorf Luz mit seinen 212 Häusern, Feldern, Gärten, Weiden, Stallungen, Kirchen, und Menschen, etwa zwei Kilometer von seiner ursprünglichen Lage entfernt, 1:1 neu aufgebaut worden. Die dort lebenden Menschen zogen um. Von alten Bauernkaten in nagelneue Häuser, die aussahen, wie ihre alten, aber innen modernisiert sind. Die Wallfahrtkapelle wurde, soweit als möglich, original ab- und wieder aufgebaut.

Das neue Luz

Im „neuen“ Luz führt die Dorfstraße mitten durch den Ort, und endet symbolisch auch wieder am Ufer. Und zwar direkt am Wasser, präzise gesagt am Museum „Museu da Luz” und an der wiederaufgebauten Wallfahrtkapelle daneben. Das in Schieferstein in die Landschaft hinein geschmiegte Museumsgebäude behütet die außergewöhnliche Geschichte von Luz. Ein typisches Bauerndorf im Alentejo, das eigentlich alles, nur nicht typisch ist.

Ein Spaziergang durch Mourão

Das Dorf Luz und den Marktflecken Mourão, trennen bloß wenige Kilometer. Trotzdem macht man einen Zeitsprung von etwa 1000 Jahren, zurück in die maurische Herrscherzeit. Mourão war Grenzposten. Der dicht um die Burg herum gedrängte Ort, mit seinen weiß gekälkten Häusern und den mächtigen Zylinderschornsteinen blickt zurück auf eine abwechslungsreiche Geschichte. Eine Geschichte in der sich spanische und portugiesische Burggrafen, den Schlüssel zur Burg in die Hand gaben. So manche Schlacht wurde hier geschlagen. Unter anderem Grenzkämpfe, vor und während der Schlacht zu Aljubarrota, zur Rückeroberung portugiesischen Territoriums im Jahre 1385.

Als Grenzposten erhielt der Marktflecken, die Kreisstadtrechte und eine Burgfeste, die beim Grenzkonflikt während des Restaurierungskrieges im 17. Jahrhundert zum Teil wieder zerstört wurde. Erobern konnten die Spanier Mourão trotzdem nicht. Der Ort wurde neu, mit einer doppelten Festungsmauer befestigt, bekam einen Uhrenturm und eine prächtige Kirche, geweiht der Lieben Frau Mutter des Lichts.

Burg von Mourão
Burg von Mourão

Es gibt viel zu entdecken

Ein Spaziergang durch den Ortskern, führt zum Hauptplatz mit Park und am Rathaus mit prächtig blühenden Bougainvilleas. Und umringt von kleinen Cafés, Souvenirgeschäften und Kunsthandwerksstätten, die zum Verweilen einladen. Bemerkenswert ist der prächtige Fliesenschatz, in der São Francisco Kirche. Die bunten Paneele in gelb, blau, weiß, rosa und grün glasiert, zeigen den Heiligen Franziskus von Assisi und andere Heilige sind abgebildet.

Die Hauptstraße M 517 / N 386 führt von Mourão, am östlichen Stauseeufer entlang gen Süden nach Moura und zweigt unterwegs ab zur 458 Meter langen Talsperre. Ab hier heißt es Abschied nehmen von der wildromantischen Landschaft rund um den Alqueva-Stausee. Abschiednehmen von seinen ausgedörrten Weiden, den knorrigen Korkeichen, vom milchig silbrigen Blau des Sees, dessen Oberfläche wie ein Fenster den Himmel spiegelt.

Besuch im quirligen Moura

Die Landschaft wird hügeliger, die Straße läuft kurvig über Kuppen und durch Täler mitten durch Olivenhaine, bis man Moura erreicht. Umgeben von einem Teppich ährengelber Felder erhebt sich die Festung von Moura und die quirlige Stadt, wie auf dem Titelbild zu erkennen.

Kultur in Moura – Olivienöl

Moura, die weiße Stadt an der spanischen Grenze, ist vom kulturellen, handwerklichen und landwirtschaftlichen Erbe beider Länder, aber besonders stark von der maurischen Kultur geprägt. Olivenöl ist die kulinarische Königin der Region. Dem Ölbaum zu Ehren, der einst mit den Arabern seinen Weg in Alentejo-Erde fand, unterhält Moura einen eigenen Garten, in dem alle Olivensorten gepflanzt stehen. Daraus pressen die Öl-Bauern das göttlich grüne Gold der Antike. Der lukullische Naturlehrpfad endet gegenüber in der ehemaligen Haupt-Olivenmühle, „Lagar de Varas do Fojo” von Moura. Wie kommt die Olive vom Baum in die Presse, und wie schmeckt welche Olive, erfährt man hier anschaulich bebildert. Verkosten kann man den göttlichen Saft im CEPAAL (Centro de Estudos e Promoção do Azeite do Alentejo) praktisch nebenan, wo sich 26 Olivenölproduzenten zu einer Kooperative zusammengeschlossen haben.

Weiter durch die Stadt

Vom Olivenöl-Museum geht es weiter durch den Stadttorbogen. Dann nach rechts durch einen Stadtgarten, bis zur Hauptstraße von Moura, die die Kreisstadt in zwei historische Ortskerne teilt. Rund um die São Pedro Kirche, mit sakralem Kunstmuseum an der Hauptstraße, wandelt man kreuz und quer durch den modernen Teil der Stadt. Dort findet man Banken, Boutiquen und gutbürgerlichen Restaurants, wo man neben portugiesisch-spanisch inspirierten Tapas jede Menge regionale Köstlichkeiten speist, dazu einen lokal gekelterten Roten Castelão goutiert.

Im Zentrum

Im Centro stößt man überall auf hufeisenförmige Fensterrahmen, maurische Fliesen am Boden und an Wänden, schmiedeeiserne Balkongitter, was den allgegenwärtigen orientalischen Einfluss verrät. In den Gassen des ehemaligen Araberviertels „Mouraria“ von Moura, vereint sich die Alentejo Bauernhausarchitektur unnachahmlich harmonisch, mit arabischem Kulturerbe. Minarett ähnliche runde Schornsteinschlote mit Zipfel zieren die Häuschen. Ihre abfallenden Dächern sind mit Mönchsziegel aus grobem Lehm gedeckt.

 

Es gibt kleine Fenster im Obergeschoss, und niedrige Türen, die in bepflanzte Patios führen. Entlang der Gasse zieren die, für Andalusien typischen Blumentöpfe, die strahlend weiß gekälkten Häuserfronten.

Verlässt man die Mouraria bergauf, gelangt man vorbei an einem mächtigen Stadtbrunnen über eine Kopfsteinpflaster-Rampe, in die ehemalige Festung. Und zwar mit eigener Kirche, archäologischer Ausgrabungsstätte und Wachturm. In den Uhrenturm und auf den Wachturm klettert man ein ganzes Stück weit hinauf, und genießt von dort den Rundumblick auf die Dachlandschaft von Moura. Sowie den Blick in den Santiago-Park, mit Pavillon und Kiosk, wo im Sommer regelmäßig musiziert wird, bis zum Alqueva-Stausee.

 

An der Ostseite liegt die São João Baptista Pfarrkirche, mit ihrem im Alentejo einzigartigen Manuelinik Steinmetzkunst Portal.

Pfarrkirche Moura
Pfarrkirche Moura

Doch nicht nur die genannten Ortschaften warten mit spannenden Momenten auf Erkundung. Mourão und Moura liegen inmitten einer ausgeschriebenen Naturschutzzone mit Wanderwegenetz. Eine Wanderung oder ein Ausritt in die Umgebung, runden den Erlebniswert zusätzlich ab und küren diese abseits liegenden stillen Dörfer am großen Alqueva-Stausee, zu einem weiteren romantischen Ziel im Alentejo.

Hoteltipp für die Region am Alqueva-Stausee

Das vor wenigen Jahren eröffnete Anwesen, Monte da Estrela Country House & Spa steht geradezu sinnbildlich für die Weite, die Stille und die Landhausidylle des Alentejo! Es ruht auf einer Anhöhe am Südufer des Alqueva-Stausees, inmitten seines 9ha großen Guts mit Olivenhainen, Weinbergen, Feldern und eigenem kleinen See. Von den nächsten kleinen Orten Moura und Mourão trennen Dich rund 15km. Und vom burggekrönten „Vorzeigedorf“ Monsaraz hoch über dem gegenüberliegenden Seeufer, knapp 30 Autominuten.

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Die Schriftstellerin Catrin Ponciano lebt in Portugal und arbeitet hauptberuflich als Journalistin, Essayistin und Autorin. Die ehemalige Küchenchefin wagte 2006 einen Neuanfang, legte das Messer aus der Hand und nennt seither einen Stift ihr Werkzeug. Ihre Themen umspannen Portugals Kultur und Lebensart. Poncianos Kriminalromandebüt „Leiser Tod in Lissabon“ wurde 2021 mit dem Debütpreis der Stuttgarter Kriminächte ausgezeichnet. Die Reiselektüre „111 Orte in Porto die man gesehen haben muss“ ist ihr dritter 111-Orte-Band – nach „111 Algarve“ und „111 Alentejo“. Die Autorin ist Mitglied im Syndikat für deutschsprachige Kriminalliteratur, im PEN-Berlin, sowie bei der 42er-Autoren. Hier geht's zu ihrer Autoren-Webseite.

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