Es gibt viele Gründe, auf dem Jakobsweg zu pilgern: Religiöse, spirituelle oder weil man sich eine Auszeit von Alltag gönnen möchte. OLIMAR Kollegin Anja wanderte die Route aus dem letztgenannten Grund. Sie freute sich darauf, Pilgernde aus aller Welt zu treffen, Erfahrungen zu teilen und die schöne Natur sowie die hervorragende Küche zu genießen – und natürlich auf ihre Pilgerurkunde, die sie in Santiago de Compostela erhalten hat! Sie unternahm die 8-tägige, individuelle Wanderreise inkl. Gepäcktransport und vorreservierten Unterkünften entlang der letzten 100 km des Jakobsweges.
Ich habe mich für die rund 115 Kilometer lange Strecke von Sarria nach Santiago entschieden. Dies ist die letzte Strecke des „Camino Francés“. Sie ist in regelmäßigen Abständen mit den gelben Muschelzeichen markiert, so dass sich kein Pilgernder verlaufen kann. Es erwarten mich sechs Etappen à fünf bis sechs Stunden Laufzeit pro Tag, wobei ich mir den Luxus eines Gepäcktransports gönne. Das heißt, ich stelle mein Gepäck morgens an die Rezeption des jeweiligen Hotels und finde es bei Ankunft in dem neuen Hotel vor. Und so trage ich tagsüber lediglich einen leichten Rucksack bei mir. Hier ist der Routenverlauf:
1. Tag: Anreise
Ich fliege von Frankfurt am Main nach Santiago de Compostela, wo ich nach zweieinhalb Stunden Flugzeit lande. Dort bekomme ich einen Reiseführer, die Voucher für die einzelnen Hotels, einen Gutschein für einen Audioguide für Santiago sowie das Pilgerbuch ausgehändigt. In dem Pilgerbuch werden Stempel von Unterkünften, Bars und Restaurants sowie Souvenirshops gesammelt, denn sie dokumentieren, dass ich dort vorbei gekommen bin. Ohne Stempel wird keine Pilgerurkunde ausgestellt. Es ist erstaunlich, wie manch Pilgernder zum Stempel-Sammelfreak wird – unglaublich!
Per Limousine werde ich nach Sarría gefahren, wo ich nach zweistündiger Fahrt ankomme. Sarría ist eine geschäftige kleine Stadt in Galicien. Es ist der letzte Ort, von dem aus man seine Jakobswegpilgerreise beginnen kann, wenn man am Ziel die Pilgerurkunde „Compostela“ verliehen bekommen möchte.
2. Tag: Sarría – Portomarín
Ich starte bei strahlendem Sonnenschein meine erste Etappe. Es erwarten mich 22 Kilometer hauptsächlich auf schattigen, von Bäumen gesäumten Wegen. Ich wandere durch die grüne Berglandschaft mit den Stauseen des Río Miño und durch kleine Dörfer. Nach circa sechs Stunden erreiche ich Portomarin. Ich schlendere durch die idyllischen Kopfsteinpflastergassen und genieße die Atmosphäre der Stadt. Auf dem Marktplatz laden Cafés und Restaurants zum Verweilen ein. Ich lasse meine erste Route bei einem eisgekühlten Glas Albariño, einem galizischen Weißwein, ausklingen – herrlich!
3. Tag: Portomarín – Palas de Rei
Heute besteige ich die letzte Passhöhe des gesamten Jakobswegs. Ich werden mit beeindruckenden Panoramen für meine Mühen entschädigt. Auf dem Weg zum Pass, auf dem Monte San Antonio überquere ich zunächst den Fluss Minho und passiere dann den kleinen Ort Gonzar. Dort befindet sich die winzige romanische Pfarrkirche Santa Maria.
Weiter geht es auf ländlichen Wegen, die von herrlich leuchtend gelbem Ginster, Pinien- und Eichenbäumen gesäumt werden. Endlich erreiche ich den höchsten Punkt des heutigen Abschnittes, die Sierra de Ligonde auf 750 Meter Höhe. Danach führt mich der Weg hinab, bis ich schließlich nach 24 Kilometern Palas de Rei, mit der sehenswerten Kirche San Tirso erreiche.
4. Tag: Palas de Rei – Melide
Meine heutige Strecke führt mich 16 Kilometer durch vorwiegend hügeliges Terrain mit einer Vielzahl von Bächen und idyllischen Weilern – wunderschön grün! Ich laufe zunächst nach San Xulian do Camino mit seiner kleinen Kirche aus dem 12. Jahrhundert.
Danach geht es nach O Coto und über eine mittelalterliche Brücke in das idyllische Leboreiro, bevor ich Melide, das geografische Zentrums Galiciens, erreiche. Es ist Sonntag und somit Markttag, dementsprechend voll und lebendig ist es in dem Ort. Zudem kommen hier auch die Pilger des Camino de Primitivo an. Ich genieße das bunte Treiben und gönne mir abends die lokale Spezialität „Pulpo à la Gallega“, ein köstliches Tintenfischgericht.
5. Tag: Melide – Arzúa
Auch heute laufe ich bei Sonnenschein los. Überall sehe ich die typisch galizischen Maisspeicher. Die vielen Steinkreuze und Mariendarstellungen am Wegesrand zeigen mir, dass es nicht mehr weit bis Santiago ist. Trotzdem gönne ich mir am Ufer des Flusses Ribadiso eine kleine Pause, bevor ich nach Arzua hinaufwandere.
6. Tag: Arzúa-O Pedrouzo/Amenal
Bei leichter Bewölkung geht es heute insgesamt 22 Kilometer lang über saftige Wiesen und durch Eichen- und Eukalyptuswälder bis ins Dorf Amenal.
7. Tag: O Pedrouzo/Amenal-Santiago
Heute erwartet mich die letzte Etappe auf dem Weg nach Santiago de Compostela! Meine Vorfreude, mein Ziel zu erreichen, steigt mit jedem Schritt der 22 Kilometer. Und auch von den Regenschauern, die ab und an auf mich herabrieseln, kann diese nicht gemindert werden!
Ich laufe an Dörfern und Eukalyptuswäldern vorbei bis zu der Ortschaft Lavacolla, die an dem gleichnamigen Fluss liegt. Im Mittelalter haben sich die Pilgernden hier vor dem Einzug in Santiago traditionell gewaschen. Es geht weiter bis auf 368 Meter hinauf auf den Monte del Gozo, den „Berg der Freude“. Von hier aus sehe ich zum ersten Mal die eindrucksvolle Kathedrale von Santiago – ein magischer Augenblick! Bald darauf bin ich am Ziel und beeindruckt von der faszinierenden Architektur und einzigartigen Atmosphäre in Santiago de Compostela.
Die Pilgermesse im Ziel
Da die majestätische Kathedrale zurzeit restauriert wird, konnte ich die Kirche nicht durch das reichverzierte Portico de la Glória betreten, sondern durch die Porta de las Platerías. Auch die Pilgermesse muss den aktuellen Bauarbeiten weichen und wird in einer nahe gelegenen Kirche San Francisco gehalten. Die Messe findet jeden Tag um 12 Uhr für die ankommenden Pilgernden statt. Für mich war sie ein wunderschöner Abschluss mit einer harmonischen und berührenden Atmosphäre.
Die Urkunde
Direkt nach Ankunft in Santiago ist es „Pflicht“, sich zum Pilgerbüro zu begeben, um sich dort seine wohl erlaufende Pilgerurkunde abzuholen. Die Wartezeit hierfür beträgt bis zu drei Stunden – ich halte meine Urkunde bereits nach zwei Stunden und 14 Minuten in den Händen!
Mein Tipp: Definitiv sehenswert ist das Museum der Kathedrale. Für 6 Euro Eintritt – Pilger zahlen nur 4 Euro – kann sich der Besuchende hier Stunden aufhalten und Bibliotheken, Sammlungen von Gewändern, Weihrauchkesseln, Bildern oder auch ein Teppichmuseum bestaunen. Gehe auf jeden Fall hoch auf den oberen Wandelgang, der einen phantastischen Ausblick auf den Platz vor der Kathedrale bietet. Dort kommen die Pilgernden sternförmig an. Es herrscht eine ausgelassene und fröhliche, teilweise auch ehrfürchtige Stimmung – wundervoll zu beobachten!
8. Tag Santiago de Compostela
Der heutige Tag ist leider völlig verregnet. Trotzdem tausche ich im Tourismusbüro vormittags meinen Voucher gegen den Audioguide ein, den ich für eine Kaution von 25 Euro einen Tag lang behalten darf. Ich unternehme mit dem Audioguide eine Tour durch die Altstadt, bei der ich viel Wissenswertes über Geschichte und Kultur erfahre – hierfür eine absolute Empfehlung von mir!
Ausflug nach Finisterre
Mittags fahre ich im bequemen Reisebus vom zentralen Busbahnhof für knapp 30 Euro nach Finisterre. Die Fahrt entlang der Küste dauert zwei Stunden, zurück sogar nur eine Stunde, da es eine schnellere Route gibt. In Finisterre steht der Pilgerstein mit Kilometer „Null“. Ich laufe vom Ort aus gute 45 Minuten zum Leuchtturm. Dort werde ich nach Dunst und Nieselregen mit Sonnenschein und einer herrlichen Aussicht auf das weite Meer belohnt, bevor es morgen wieder zurück in die Heimat geht.